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Sonntag, 16. November 2014 / 18:20:00
Kompromisslos dominant
Die offensive Ausrichtung der Schweiz hat sich gegen Litauen (4:0) in einem günstigen Moment erstmals gelohnt. Die SFV-Equipe hat sich und ihrem Coach Vladimir Petkovic Spielraum geschaffen - und sie bestätigte ihre statistisch schon länger belegte Dominanz.
Eine erste deutliche Kurskorrektur haben die Schweizer vorgenommen. Ihre Lage in der Kampagne ist nicht mehr ungemütlich, sondern so, dass sie 2015 alle Chancen besitzen, sich wie geplant direkt für die EM-Endrunde 2016 in Frankreich zu qualifizieren. In den Partien zu Hause gegen Estland, dessen 0:0 in San Marino viel über die Reichweite der Balten aussagt, und gegen die in St. Gallen chancenlose litauische Auswahl ist eine Fortsetzung des kräftigen Aufschwungs durchaus denkbar.
Bisher haben die Schweizer im Gegensatz zu den bislang makellosen englischen WM-Statisten nur die Hälfte der möglichen Punkte gewonnen. Doch die Zwischenbilanz trügt. Die Zusammenfassung weiterer Kennzahlen der letzten drei Monate fällt viel freundlicher aus. Kein Team in der Gruppe E hat die Partien mehr geprägt als die SFV-Vertreter. Die Wahrnehmung Petkovics lässt sich statistisch belegen.
Auf 64 Prozent Ballbesitz kommt der Tabellendritte im Durchschnitt, die «Three Lions» auf 61. Das englische Cornerverhältnis (35:9) ist minim besser als jenes der Schweizer (35:12). Im Angriff ist der Output (84 Schüsse) beeindruckender als die Effizienz. Und mit 2328 Pässen figuriert Petkovics Equipe unter den Top-Nationen Europas. Kaum ein anderes Nationalteam beanspruchte die Spielkontrolle resoluter und investierte im offensiven Bereich mehr.
Die stehenden Ovationen
In der AFG-Arena ist angesichts des zuvor betriebenen Aufwands, aber zu geringen Ertrags womöglich viel aufgestaute Luft entwichen. Das zweite 4:0 in Serie ist selbstredend anders zu bewerten als der programmierte Sieg gegen den Weltranglistenletzten San Marino. Die Schweizer bewältigten die nicht zu unterschätzende Herausforderung gut, einen konsequent destruktiven und mit zehn Spielern verteidigenden Aussenseiter, der zwar wenig Qualität zu bieten hatte, aber dennoch besser bestückt ist als Exoten wie Andorra oder Gibraltar, mit spielerischen Mitteln auszumanövrieren.
Wie die SFV-Equipe unablässig nachsetzte und den Gegner richtiggehend weichklopfte, goutierte das Publikum. Nervosität kam keine auf - auch nicht auf der Tribüne. Die Zuschauer schätzten das Engagement. Sie unterstützten die Vorwärtsstrategie und das pausenlose Bemühen, eine Lösung zu finden. Und als im Angriff innert Minuten alle Ventile geöffnet wurden und Xherdan Shaqiri in Co-Produktion mit Joker Josip Drmic eine Two-Men-Show inszenierten, erhoben sich über 17'000 mehrfach zu einer minutenlangen Ovation.
Eine Demonstration im vergleichbaren Stil bekamen die Schweizer Anhänger letztmals vor über zehn Jahren beim 6:0 gegen die Färöer zu sehen. Petkovic deutete die überzeugende Performance als eine Art Befreiungsschlag, der ihm und seiner Equipe seit dem Ende der sechsjährigen Ära von Ottmar Hitzfeld gefehlt habe. Der Selektionär dürfte von der ab sofort markant entspannteren Situation am meisten profitieren. Bei einem dritten suboptimalen Ergebnis wäre mutmasslich mit einem medialen Powerplay gegen ihn zu rechnen gewesen. Wahrscheinlich wären dann neben Adlern auch Geier über dem Schweizer Nationalteam gekreist.
Gute Nase, gutes Timing
Die Skepsis gegenüber dem Nationalcoach dürfte schwinden. Der weniger schöne Teil seiner spannenden YB-Vergangenheit rückt wieder in den Hintergrund. Auch die Systemfrage muss er sich in den nächsten Monaten in der Öffentlichkeit vermutlich weniger oft stellen lassen. In St. Gallen war seine Idee vom schönen und dominanten Spiel erkennbar. Und die Spieler besitzen seit dem Samstagabend die Gewissheit, dass der taktisch riskante Ansatz Petkovics, mit kompromissloser Dominanz Erfolge anzustreben, zielführend sein kann.
Im Weiteren erbrachte der Trainer im fünften Monat seiner Amtszeit den Nachweis, die Ströme innerhalb des Teams und mitten im Spiel besser zu spüren - was wohl auf Gegenseitigkeit beruht. Der Zugriff auf die zentralen Elemente fällt Petkovic einfacher. Die in einer ersten Phase der EM-Ausscheidung auf verschiedenen Ebenen wahrnehmbare Nervosität ist inzwischen sekundär. Ein Indiz für die positive Entwicklung ist auch das gut getimte Coaching gegen Litauen.
Petkovic zog aufgrund von medizinischen Problemen und Formschwankungen die adäquaten Schlüsse. Die fünf Umstellungen im Vergleich zum dritten Spieltag waren richtig - ebenso der Zeitpunkt der Einwechslung von Drmic (63.), der die Zäsur mit drei entscheidenden Aktionen einleitete. Das gute Trainer-Händchen ist auch in eigener Sache hilfreich. Der Spielraum wird wieder grösser, Unruhe kommt nicht auf. Und in Polen erhält er am kommenden Dienstag erstmals die Chance, ohne Ergebnisdruck personelle Varianten zu testen.
ww (Quelle: Si)
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