Freitag, 10. Juni 2011 / 13:47:00
Auch eine ausgebeulte Unterhose ist eine Kolumne wert
Amerika erlebt einen Sommer der Skandale und amüsiert sich gerade köstlich über den neuesten, bei dem die Hauptperson ein Politiker ist, dessen Nachname umgangssprachlich unter Kindern auch als Bezeichnung für ein Geschlechtsorgan dient.
«Wenn man Weiner heisst, passiert das oft. Andere treiben Unfug mit dem Namen und reissen Witze darüber», sagte er in einem Interview.
In Wirklichkeit war es jedoch der demokratische Kongressabgeordnete Anthony Weiner selbst, der in vorliegendem Fall für den groben Unfug verantwortlich war: Weiner war in den letzten Wochen in grosse Erklärungsnot geraten, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass das Foto einer eng anliegenden Unterhose mit verdächtiger Ausbeulung über das Internet an eine College-Studentin verschickt wurde.
Die Schmach für Weiner ist bei Weitem nicht so gross wie die für den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller Belästigung vor Gericht steht. Auch mit dem Skandal um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John Edwards ist die Schmach Wieners nicht vergleichbar: Edwards wird strafrechtlich verfolgt, weil er einer Geliebten angeblich Geld gegeben hat, um sich ihr Schweigen während seines Wahlkampfs zu erkaufen.
Das Foto der grauen Boxershorts
Doch Fernsehkomiker und Schlagzeilentexter fanden grossen Gefallen an Weiners Namen und liessen ihrer Kreativität bei immer neuen Wortspielen freien Lauf. Auch das Foto der grauen Boxershorts hat inzwischen im ganzen Land die Runde gemacht.
Zuerst behauptete Weiner, man habe seinen Twitter-Account gehackt. Noch bizarrer war, dass er darauf bestand, nicht gewusst zu haben, ob es sich bei dem Foto überhaupt um ein Bild von ihm selbst handle.
Tagelang erging sich Wiener in abwegigen Erklärungen und Ausflüchten, bis ein konservativer Blogger weitere Fotos veröffentlichte, die Weiner angeblich einer anderen Frau geschickt hatte. Der Blogger wies darauf hin, dass er noch ein weiteres Foto besitze, das «nicht jugendfrei» sei.
Eine tränenreiche Pressekonferenz
Weiner, der erst kürzlich geheiratet hat, gestand schliesslich, über das Internet Kontakt zu verschiedenen Frauen gehabt und intime Fotos mit ihnen getauscht zu haben. «Es war mir peinlich. Es war erniedrigend», sagte er bei einer tränenreichen Pressekonferenz. «Ich wollte meine Frau und mich selbst vor dieser Schande schützen.»
Weiner hat kein Gesetz gebrochen und im klassischen Sinne noch nicht einmal seine Frau betrogen. Er hat einzig anstössige Bilder von sich verschickt und dies geleugnet.
Umfragen zeigen, dass die Wähler seines Bezirks in New York City, die er im Kongress vertritt, geteilter Meinung sind, ob Weiner zurücktreten solle oder nicht. Den Skandal könnte er also überstehen. Der Name wird ihm bleiben.
Jonathan Mann - POLITICAL MANN
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «Political Mann» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.
Kolumne von Jonathan Mann (Quelle: CNN-News)
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