Sonntag, 5. Juni 2011 / 21:32:25
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Al Jazeera ist kein USA-Hetzer
Columbus/Berlin - TV-Netzwerke des arabischen Raums wie etwa Al Jazeera oder Al Arabiya wecken nicht automatisch Ressentiments gegen die USA, wie sie im Westen oft dargestellt werden.
Zu diesem Schluss kommen Kommunikationswissenschaftler der Ohio State University in der Zeitschrift «Communication Research». «Bei manchen Zusehern verstärken die Sender antiamerikanische Haltungen, bei manchen lösen sie das Gegenteil aus. Es kommt allein auf die politische Identität des Zusehers an, ob und inwiefern TV-Netzwerke die US-Haltung beeinflussen», resümiert Studienautor Erik Nisbet.
Identität bestimmt Wirkung
Die Forscher werteten Daten zu 20'000 Menschen aus Saudi-Arabien, Ägypten, Marokko, Jordanien, Libanon und den Vereinigte Arabische Emiraten aus. Neben demografischen Daten waren sie nach der politischen Identität, nach der Haltung gegenüber der USA und auch nach ihrer Mediennutzung befragt worden. Die beiden populärsten überstaatlichen Fernsehsender sind «Al Jazeera» und «Al Arabiya», wurde dabei deutlich. Ihr Eindruck bei den Zusehern hängt jedoch ganz davon ab, ob man sich selbst als arabischer Nationalist, als muslimischer Nationalist oder primär als Angehörige des eigenen Landes sieht.
Bei arabischen Nationalisten, die neun Prozent der Befragten ausmachten, verstärkt «Al Jazeera» eine Haltung gegen die USA, während Al Arabiya keine Auswirkung hat. Muslimische Nationalisten - 28 Prozent der Befragten - hegen tendenziell negative Gefühle gegen den Westen, egal wie viel Zeit sie dem Medium Fernsehen widmen. Wer sich jedoch zuerst mit seinem eigenen Nationalstaat identifiziert, ist umso freundlicher gegenüber den USA gestimmt, je mehr er Al Jazeera sieht, zeigte sich. Bei den über 40 Prozent der Gruppe mit gemischter Identität war kein klarer Zusammenhang zu finden.
Kritik an der US-Kritik
«Im Westen hat man übersteigerte Erwartungen an die Medienwirkung schon in den 60er-Jahren aufgegeben - denn das Publikum sucht in der Regel nach den Inhalten, die eigene Voreinstellungen verstärken. Für Schwellen- und Drittweltländern hielten sich Vorstellungen massiver Einwirkungen der Bevölkerungsmeinung durch die Medien jedoch hartnäckig. Erst durch derartige Forschungen gelingt es, diese auch wissenschaftlich zu revidieren», erklärt Carola Richter, Kommunikationswissenschaftlerin an der FU Berlin.
Während Al Arabiya eher wirtschaftlich ausgerichtet ist, hat man im Westen dem Sender Al Jazeera besonders seit Beginn der zweiten Intifada 2000 oft als anti-amerikanisch bezeichnet. Für die Nahost-Expertin Richter ist dieser Vorwurf absurd. «Die US-Politik mit ihren unterschiedlichen ideologischen Ausprägungen war bei Al Jazeera stets massiv präsent. Was von Amerika als anti-amerikanisch empfunden wurde, ist vor allem die Darstellung der von den USA nicht erwünschten Bildern sowie auch anti-amerikanischer Äusserungen rund um die jüngsten Kriege der USA. Diese können sehr wohl bestehende Voreinstellungen verstärken.»
2011: Westen korrigiert seine Meinung
Die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt seit den Revolutionen in Tunesien und Ägypten haben das Bild des Westens über den Sender allerdings in ein anderes Licht gerückt, so Richter. «Der Westen korrigierte jüngst sein Bild vom anti-westlichen Al-Jazeera. Denn man erlebte, dass der Senders in seiner Berichterstattung scheinbar dieselben Standpunkte vertritt wie Europa und die USA.» Im arabischen Raum hätte sich die Position des Senders jedoch kaum geändert - war er doch schon zuvor stark präsent.
bert (Quelle: pte)
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