Mittwoch, 8. Dezember 2010 / 09:00:00
Calmy-Rey abgestraft - Schlechtestes Ergebnis aller Zeiten
Bern - Die Vereinigte Bundesversammlung hat am Mittwochmorgen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zur Bundespräsidentin für das Jahr 2011 gewählt. Sie verpasste der Sozialdemokratin jedoch einen Denkzettel: Calmy-Rey erhielt lediglich 106 von 189 gültigen Stimmen - eine rekordtiefe Stimmenzahl.
Es handelt sich um das schlechteste Resultat in der Geschichte der Eidgenossenschaft, zumindest seit Einführung des Proporzwahlsystems im Jahr 1919. Vor Calmy-Rey hatte Edmund Schulthess (FDP) den Negativrekord gehalten. Er wurde mit 136 Stimmen zum Bundespräsidenten für 1921 gewählt.
Schlechtes Resultat wurde erwartet
Calmy-Reys schlechtes Resultat war erwartet worden. Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollten sie bestrafen, unter anderem für ihr Verhalten in der Libyen-Affäre. Die Geschäftsprüfungskommission wirft Calmy-Rey vor, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Die Aussenministerin hatte den Bundesrat nicht über Befreiungspläne für die Schweizer Geiseln informiert.
Calmy-Rey wird zudem für Indiskretionen aus dem Bundesrat verantwortlich gemacht. Parlamentarier begründeten die Strafaktion generell mit den «Sololäufen» der Bundesrätin. Manche - unter ihnen CVP-Präsident Christophe Darbellay - sehen das schlechte Wahlresultat auch als Folge von «Attacken» Calmy-Reys auf die FDP und die CVP. Die Sozialdemokratin hatte jüngst festgestellt, der Wirtschaftsdachverband economiesuisse habe Vertreter im Bundesrat.
Die neu gewählte Bundespräsidentin zeigte sich gegenüber der Tagesschau des Schweizer Fernsehens SF jedoch wenig beeindruckt vom schlechten Wahlresultat: «Ich betrachte das als politisches Spiel, das hat keine Bedeutung.» Die Schweiz stehe in einem wichtigen Jahr und sie werde sich dezidiert für die Kollegialität und das Konkordanzsystem engagieren. «Wir müssen stark sein, um dem Druck von aussen standhalten zu können.»
Nächstes Jahr Widmer-Schlumpf
Nach Calmy-Rey ist Eveline Widmer-Schlumpf turnusgemäss an der Reihe für das Bundespräsidium. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte die Bündnerin am Mittwoch mit 146 von 222 gültigen Simmen zur Vizepräsidentin. Das absolute Mehr lag bei 112 Stimmen.
Im historischen Vergleich handelt es sich um ein mittelmässiges Resultat. Nicht für Widmer-Schlumpf gestimmt haben dürften viele Vertreter der SVP. Für sie war Widmer-Schlumpf nicht wählbar, weil sie die Abwahl von Christoph Blocher im Jahr 2007 ermöglicht hatte.
ade (Quelle: sda)
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