Mittwoch, 16. Juni 2010 / 12:00:00
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Fast alle werden zu kleinen Fussballfans
Die erste Frage an die Jungpolitiker vom «Politspektrum» ist noch eher locker, aber mit grossem Aktualitätsbezug: «WM in Südafrika - wie halten es unsere Jungpolitiker mit der Schweizer Nati? Voll am fanen, interessiert, distanziert oder gleichgültig?»
Zugegeben: ich bin kein langjähriger und eingefleischter Fussballfan. Ich besitze keine Fanartikel, kenne den Spielplan nicht auswendig und habe dieses Jahr sogar den Einstieg zu einem Tipp-Spiel verpasst. Ich gehöre auch nicht zur Sorte derer, die pünktlich auf die WMs und EMs hin zu Fussballexperten mutieren und die Spiele mit Kennermine verfolgen. Was allerdings immer perfekt ist, während der WM, das ist die gute Stimmung bei den Public Viewings und in Gartenbeizen, wenn je für die eigene Nation gefant wird. Ein Anlass wie eine WM lässt fast alle zu wenigstens kleinen Fussballfans werden. WM ist für mich, auf einer Terrasse mit Freunden und gemeinsam mit vorher Unbekannten Personen einen Match mitzuverfolgen.
Aber auch der Rummel rund um die WM an sich ist höchst faszinierend. Dies beginnt mit der Mediatisierung, die weit vor dem Anpfiff beginnt. Die WM scheint die Gelegenheit zu sein, das sich anbahnende Sommerloch vorsorglich zu stopfen. Ein Paradebeispiel ist der Artikel zur Flugzeug-Sitzordnung der Nationalmannschaft. Auch die Frage, welche Spieler sich à la Beckham die Fingernägel lackieren, brannte anscheinend unter den Nägeln, ob lackiert oder nicht. Ein Hinweis ist auch das dazugehörige Rahmenprogramm des Schweizer Fernsehens wert. Etwa die SF-Show „Unsere Helden“. Dabei wurde mit ewig jungen Kommentatoren und eher improvisierten Showeinlagen die Schweizer Fussballgeschichte aufgerollt und eine Rangliste der besten Schweizer Fussballer erstellt. Klamauk, Glanz und Gloria pur. Diese Gebührenfranken hätten mit Sicherheit besser investiert oder an Gebühren eingespart werden können.
Neben den guten Matches freue ich mich am meisten auf die politische Diskussion rund um die WM. Dabei geht es meist dem Schönsten an der WM, dem Spass beim gemeinsamen Match-Schauen, an den Kragen. Hier ist wieder Ähnliches zu erwarten wie schon an der EM. Den Auftakt gab das ursprüngliche Public-Viewing Verbot in Zürcher Gartenbeizen. Die Tonlos-Strategie wurde, vermutlich auch unter dem Einfluss der Petition der Jungfreisinnigen Zürich, wieder begraben. Etliche Kantone veröffentlichten die Richtlinien für korrektes Hupen nach dem Spiel. In meinem Heimatkanton Thurgau etwa ist eine Stunde lang Hupen nach Spiel-Ende erlaubt. Darin widerspiegelt sich die Verbotskultur, die immer mehr in Mode kommt und allem den Garaus macht, was beliebt und unterhaltsam ist. Ich warte nur darauf, dass Tröten ausserhalb der eigenen vier Wände oder das Benutzen der Bezeichnung „WM Spezial“ auf Menükarten untersagt werden.
Wenn schliesslich alles innerhalb des rechtlich korrekten Rahmens abläuft, kommt hoffentlich noch etwas Freude auf. Dann sehe ich mir gerne einige Matches an, allen voran jene mit der Schweizer Nationalmannschaft. Dann tritt meist dieses fussballeigene Zusammengehörigkeitsgefühl auf und das Publikum fiebert bei jedem Schweizer Ballkontakt mit. Wer weiss, vielleicht nütze ich auch einmal die amtl. bew. Hup-Stunde aus, wenn mich das Spiel der Schweizer Nationalmannschaft mitreisst.
Falls wir keinen Match gewinnen sollten, bleibt immer noch die Lösung des SVP-Nationalrats Baettig: Holen wir doch einfach noch weitere Gebiete zur Schweiz! Dann würde ich dafür den WM-Gewinner vorschlagen. Davon könnten bestimmt beide Seiten profitieren.
Brenda Mäder (24) ist Thurgauerin und Vorsitzende der Schweizer Jungfreisinnigen
von Brenda Mäder (Quelle: news.ch)
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